In der Ausgabe 01/2019 des ABZ-Magazins habe ich mich mit der Frage beschäftigt, warum wir intelligente Systeme zur Informationsverarbeitung brauchen und welchen Mehrwert diese für die Technische Redaktion hinsichtlich ihrer Effizienz und Wirtschaftlichkeit bieten. Kurzum: einen immensen und das Entwicklungspotenzial in Richtung künstliche Intelligenz und Machine Learning ist enorm. Doch was bedeutet dieser Fortschritt für das Berufsbild des Technischen Redakteurs? Provokant gefragt: Brauchen wir in der Zukunft überhaupt noch Menschen, die technisches Wissen konzipieren und erstellen? Oder können intelligente Maschinen das bald viel einfacher, schneller und günstiger erledigen? In meinem Beitrag zur Blogparade des Intelligent-Information-Blogs der tekom möchte ich diese Frage genauer beleuchten.

Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Auch wenn Nachrichten über Entwicklungen wie beispielsweise die selbstlernende Analyse-Maschine DeepMind für Furore sorgen, bleibe ich grundsätzlich optimistisch. Ich glaube nicht an ein Zukunftsszenario, in dem wir uns selbst „abschaffen“ und den Maschinen das Feld überlassen. Vielleicht aber kann man von einer immer engeren Symbiose zwischen Mensch und Technik sprechen. Daraus ergeben sich – wie aus den bisherigen industriellen Revolutionen – ebenso Chancen wie Herausforderungen, die wir heute im Einzelnen schwer abschätzen können.

Maschinen für den Standard, Menschen fürs Hochspezialisierte

Seit Jahren schon schreiten die Automatisierung von Standard-Prozessen und der Einsatz von Robotern voran. Besonders deutlich spürbar ist das im primären und sekundären Wirtschaftssektor, aber auch der Dienstleistungssektor, zu dem die Technische Redaktion gehört, bleibt davon nicht verschont. Bei der Informations- und Datenverarbeitung sowie bei der Gewinnung berufsbezogener Informationen werden Maschinen 2022 erstmals mehr Arbeitsstunden leisten als Menschen. Das ergab die Studie „Die Zukunft der Arbeitsplätze 2018“ des Weltwirtschaftsforums (WEF). Zurückzuführen ist dieses Ergebnis aber nicht darauf, dass Maschinen im großen Stil ganze Jobs kompensieren, sondern, dass sie bestimmte Jobbereiche übernehmen, um dem Menschen die Arbeit zu erleichtern und seine Produktivität zu erhöhen.

Das wird auch großen Einfluss auf die Technische Redaktion nehmen. In den Tätigkeitsfeldern, in denen es um Standard-Wissen geht, in denen Standard-Prozesse ablaufen, in denen nichts Individuelles erschaffen werden muss, wird die Arbeit von Maschinen der unseren in Effizienz und Fehlerfreiheit in Zukunft überlegen sein. Allerdings wird es immer jene Bereiche geben, die von hoch individuellen Lösungen bestimmt sind. Außerdem werden wir weiterhin in allen Bereichen mit ungeplanten oder unvorhersehbaren Ereignissen konfrontiert werden. Das wird von uns Menschen einen hohen Spezialisierungsgrad fordern – eine Herausforderung, der Unternehmen heute schon durch aktive Weiterbildungsstrategien entgegengehen müssen. Hierin wird sich u. a. das Tätigkeitsfeld der zukünftigen Beschäftigten in der Technischen Redaktion entfalten: Indem sie Wissen optimal aufbereiten, ermöglichen sie es vielen Menschen, ihre Tätigkeiten auszuführen und unterstützen sie dabei.

Das Problem des Fachkräftemangels entschärfen

Der durch die digitale Transformation begünstigte Wandel des Arbeitsmarkts ist ein Diskussionsthema, das die Gemüter quer durch alle Branchen erhitzt. Ob sich eher schwarzmalerische Prognosen oder die der Hoffnungsfrohen bewahrheiten werden, vermag ich nicht zu sagen. Laut oben zitierter Studie sollen aber bis 2022 fast eine Millionen Arbeitsplätze völlig verschwinden, 1,74 Millionen hingegen ganz neu entstehen. Durch die Verschiebung in der Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine könnten sich in diesem Spannungsfeld 75 Millionen Jobs verändern und 133 Millionen neue Funktionen entstehen. Weitere Veränderungen werden begünstigt durch demografische und sozioökonomische Entwicklungen, zu denen etwa der Aufstieg der Mittelschicht in Schwellenländern zählt. Wenn sich in Zukunft die Joblandschaft so stark wandelt, wie die Studie des WEF vermuten lässt, wird ein Problem, das heute bereits ein drängendes ist, noch gewichtiger: der Fachkräftemangel.

Daraus, dass überall auf der Welt zunehmend Fachkräfte für spezifische Aufgaben benötigt werden, lässt sich eine weitere zentrale Aufgabe für die Beschäftigten in der Technische Redaktion der Zukunft ableiten: Sie bleiben eine wichtige Schnittstelle im Wissenstransfer zwischen denen, die Technik-Innovationen entwickeln, und denen, die sie nutzen. Auch durch die Konzeption und Erstellung von digitalen Trainings- und Weiterbildungsmedien tragen sie dazu bei, Menschen weltweit zu qualifizieren, sodass deren volles Potenzial genutzt werden kann. Damit wirken sie dem Fachkräftemangel entgegen.

Wichtige Kernkompetenzen für die Zukunft – schon vorhanden

Die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen. Kritisches Hinterfragen. Kreativität. Diese Top-3-Job-Skills benennt das WEF für 2020. Eine Entwicklung, die nicht verwunderlich ist, wenn Routineaufgaben immer mehr von Maschinen übernommen werden. Vielleicht ist dies der deutlichste Hinweis darauf, dass die Technische Redaktion der Zukunft nicht ohne Menschen funktioniert. Allenfalls eine, in der intelligente Informationen, Systeme und Maschinen die Menschen frei machen von Standardaufgaben, sodass sie effizienter und produktiver am Anspruchsvollen arbeiten können.

Ein Beispiel, das bereits jetzt in diese Richtung geht, ist das Pumpen-Kompetenzzentrum. Die Strategie, Standards für Pumpen sowie Pumpen-Anleitungen festzulegen, hat sich bis heute bewährt, da sie eine hohe Kosten- und Zeitersparnis bei hoher Qualität der Informationen ermöglicht. In Zukunft wird diese Art von Wissen immer automatisierter erstellt und optimiert werden. Die Einbindung intelligenter Systeme ermöglicht es dann, Ressourcen für herausfordernde Anwendungsszenarien im Einsatz mit Pumpen sowie die dafür notwendigen Parametrisierungen etc. bereitzustellen.

Kreative Problemlösungskompetenz und ein großes  Verständnis für komplexe technische Zusammenhänge werden zukünftig in vielen Bereichen noch dringender gefragt sein – also Fähigkeiten, die Technische Redakteurinnen und Redakteure heute bereits im besonderen Maß auszeichnen. Speziell dort, wo individuelle und anwendungsorientierte Lösungen kreiert werden sollen – also dort, wo die Stärke der deutschen Technik-Unternehmen liegt – wird der Mensch noch sehr lange im Vorteil bleiben. Mit der Unterstützung durch intelligente Informationen und Systeme werden wir hier neue Maßstäbe setzen, was Effizienz und Qualität angeht. Dieser Zukunft stehe ich äußerst positiv gegenüber.