Seit knapp 30 Jahren ist Ulrich Korioth bei der Konzerntochter der Rolls-Royce Power Systems AG, MTU Friedrichshafen GmbH, in der Technischen Dokumentation tätig. Im ABZ-Interview lässt er 30 Jahre Technische Dokumentation Revue passieren und gibt einen Ausblick auf seinen Vortrag auf dem DOKU-FORUM 2015.

ABZ: Herr Korioth, Sie sind bei der MTU Friedrichshafen GmbH als Senior Manager für Technische Dokumentation im Bereich Marine und Automation tätig. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in Ihrer täglichen Arbeit?

Wir beliefern unsere Kunden weltweit mit Antriebssystemen. Eine der größten Herausforderungen ist es, die Dokumentation termingerecht, vollständig und in der gewünschten Fremdsprache zu liefern. Mein Bereich erstellt die notwendige Dokumentation, wie Ersatzteilkataloge und Dokumentationen für Reparatur und Instandhaltung. Zudem alles, was für den Betrieb der Antriebssysteme notwendig ist. Schwerpunkte bilden hier Inhalte für die Störungssuche und Wartung. Unsere Kunden bekommen keine Produkte von der Stange, jeder Auftrag ist individuell. Somit wird auch unsere Standarddokumentation an den Lieferumfang des Kunden angepasst.

Wie kann ich mir das vorstellen? Gibt es da eine Basis-Dokumentation, die für alle Antriebssysteme gleich ist …?

Nicht wirklich! Jeder unserer Aufträge wird mit dem Lieferumfang abgeglichen, denn es gibt keine zwei Schiffe, die gleich sind. Es muss ständig etwas angepasst werden. Deshalb arbeiten wir mit einem XML-basierten Redaktionssystem und verfügen über einen Pool an Datenmodulen. So zum Beispiel unterscheiden sich bei jedem Schiff die einzelnen Schnittstellen oder bei der Überwachung; dort überwachen wir mit unserem System nicht nur den Antrieb, sondern bilden auch weite Teile der Schiffsautomation ab, wie zum Beispiel die Feuermeldeanlage.

Wie läuft die Zusammenarbeit bei der Erstellung solcher Dokumentationen ab?

Zunächst besteht die Arbeit aus den üblichen Recherchetätigkeiten eines Technischen Redakteurs. Bei den Automationssystemen ist es ein Vorteil, dass sie bei uns im Haus projektiert und entwickelt werden. Es wird zudem immer ein Testfeld mit dem kompletten Automationssystem eingerichtet. Dort können wir alle Funktionen testen und müssen nicht zwingend auf dem Schiff sein.

Was wahrscheinlich auch nicht geht, denn die Schiffe werden ja nicht in Friedrichshafen gefertigt.

Genau, wir haben nicht immer Zugang zum Schiff. Wenn wir allerdings Zugang haben, dann nutzen wir diesen auch. Alles rund um die Motorfunktionalität, Wartung oder Reparatur des Motors kann bei uns im Haus beschrieben werden, denn die Motoren werden ja in Friedrichshafen gefertigt. Ebenso unsere Automation – also alles rund um die Schiffsüberwachung. Das ist eine komfortable Situation für uns, da das Schiff nicht unbedingt benötigt wird. Oft sind es aber auch Anwendungen, in die unsere Produkte bereits früh eingebaut werden. Obwohl das System erst viel später in Betrieb genommen wird, liefern wir die Dokumentation beim Einbau mit.

Wir haben zudem Anwendungen, bei denen wir zum späteren Zeitpunkt Usability-Tests machen. Da gehen wir mit an Bord und prüfen unter Optimal Bedingungen, ob tatsächlich alles passt, was wir zuvor beschrieben haben.

Sie sind zuständig für die Dokumentation von Dieselmotoren, mit denen zum Beispiel Schiffe angetrieben werden. Was ist die Besonderheit der Benutzerinformationen für diese Motoren?

Eigentlich gibt es hier keine Besonderheiten. Eine Technische Dokumentation für ein technisches Gerät hat immer die gleichen Anforderungen und auch das Regelwerk ist identisch. Speziell sind eher die vorliegenden Umgebungsbedingungen, also die Größe des technischen Gerätes, das wir beschreiben. Haben Sie schon mal live einen Motor von uns gesehen?

Leider noch nicht.

Hier reden wir bei der Baureihe 8000 von vier bis fünf Metern Höhe. Eine Zylindereinheit – wir nennen diese PowerUnit – wiegt eine halbe Tonne. Das bewegt man im Vergleich zu einem Fahrzeug oder einem technischen Gerät natürlich erheblich schwieriger. Daher müssen wir hier auch sehr auf Sicherheitshinweise achten, was den Transport und das Handling angeht.

Sind die Dokumentationen nicht deutlich umfangreicher?

Eigentlich nicht, wenn man den Motor isoliert betrachtet. Da gibt es eine ganz normale Bedienung, nur mit ein paar mehr Funktionen. Wenn man allerdings das System betrachtet – zu einem Motor gehören das Getriebe und weitere Komponenten – dann kann die Dokumentationen schon mal 6000 bis 7000 Seiten umfassen. Zu diesen Seiten gehören auch Dokumentationen, die Störungssuche, Reparaturen und Instandsetzungen behandeln und nicht nur alleine die Funktion oder Bedienung.

Auf den Schiffen, für die MTU Motoren baut, wird ein Automationssystem verwendet. Wie funktioniert dieses System und was sind seine Vorteile?

Unser System nennt sich Callosum_MT. Dieses funktioniert im Prinzip ganz einfach: Auf einem Bildschirm werden Störungen oder Meldungen angezeigt. Derjenige, der vor dem Bildschirm sitzt, zum Beispiel der Techniker, kann sich über die Bildschirmnavigation letztlich bis zu den Informationen zur Fehlerbehebung durcharbeiten. Über eine Meldung auf dem Bildschirm, die er anklicken kann, gelangt er auf eine Hilfe, die ihm sagt, was die Meldung bedeutet. Nehmen wir als Beispiel einen Lampendefekt: Über die Störanleitung wird der Techniker bis zur Abhilfe geführt,­ also dem Wechsel der Lampe. Von dem Absprungpunkt „Jetzt Lampe wechseln“ hat der Techniker die Möglichkeit, in die technische Beschreibung zu gelangen, die ihm Anwei­sungen zum Lampenwechseln gibt. Bei einer komplizierteren Tätigkeit gibt es zudem die Option, sich den Vorgang über eine Video­animation anzuschauen. Einfache Tätigkeiten – wie einen Lampenwechsel – würden wir nicht animieren, außer, der Kunde wünscht es.

Vor welchen Herausforderungen steht die Technische Dokumentation in Ihrem Haus im Allgemeinen?

Eine der Herausforderungen ist die Vernetzung von Informationen. Die neuen Richtlinien der ASD [Anm. der Redaktion: Aerospace and Defence Industries Association of Europe] sind komplett ausgerichtet auf eine papierlose Dokumentation. Wir bieten unseren Kunden beispielsweise an, dass wir die Dokumentationen online mit auf das Automationssystem spielen. Ergänzen könnte man das noch durch Visualisierungen von Funktionsbeschreibungen, Kreisläufen, die in Filmen dargestellt werden und nicht nur in Zeichnungen oder Schematas.

Sie werden auf dem DOKU-FORUM referieren. Verraten Sie unseren Lesern doch, was genau die Teilnehmer bei Ihrem Vortrag erwartet!

Ich werde in meinem Vortrag „Serviceprozesse beschleunigen – Visualisierung von situativ gesteuerten Handlungs­schritten durch Animationen“ unser System Callosum_MT vorstellen. Ich zeige, wie wir das System bei uns einsetzen, wie wir mit der Fehlersuche – auch bei komplexen Störungen – umgehen und wie wir die Kunden in der Störungssuche führen. Zudem zeige ich einige Videoanimationen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ulrich Korioth, Senior Manager für Technische Dokumentation im Bereich Marine und Automation bei der MTU Friedrichshafen GmbH